Die Hälfte der Wahlperiode ist vorbei, 2020 wird ein neuer Stadtrat gewählt. Anlass für unsere Redaktion, mit den Fraktionsvorsitzenden über die „erste Halbzeit“ und künftige Herausforderungen für die Wermelskirchener Politik zu sprechen. Zum Abschluss: Jürgen Manderla (FDP).
Die Hälfte der Wahlperiode ist vorbei. Was sind die drei wichtigsten Dinge, die die Wermelskirchener Politik angestoßen hat?
Manderla: Für uns sehr wichtig war das Gutachten über die Feuerwehr durch die Kommunalagentur NRW. Gegen anfänglichen Widerstand haben Bürgerforum, WNKUWG und FDP durchgesetzt, die Situation extern zu hinterfragen. Das Ergebnis: a) Wir brauchen keine zweite hauptamtliche Rettungswache; b) die freiwillige Wehr in Dabringhausen bekommt endlich ein neues Domizil; c) Ein neuer Brandschutzbedarfsplan ist sofort notwendig, weil der vorhandene fehlerhaft war; d) Damit einhergehend werden die ursprünglich prognostizierten Kosten nicht erreicht. Die Entwicklung des Loches-Platzes nimmt nun Fahrt auf, obwohl hier Einiges nicht nach unseren Wünschen gelaufen ist. Für uns ist auch ein Hallenbad wichtig. Um das Projekt umzusetzen, muss sich das Ganze weitgehend selbst finanzieren, zum Beispiel durch wesentlich geringere Unterhaltskosten gegenüber dem jetzigen Quellenbad.
Begründen Sie Ihre Auswahl!
Manderla: Wären die ursprünglichen Vorstellungen – die aus dem alten Brandschutzbedarfsplan abgeleitet waren – umgesetzt worden, wäre Wermelskirchen auf Jahre hinaus finanziell komplett „geknebelt“ gewesen. Der Loches-Platz ist ein Filetstück der Stadtentwicklung und wird die Innenstadt nach dem Umbau wesentlich attraktiver machen. Das Hallenbad ist ein „Flagship“-Projekt, um Wermelskirchen für alle als Standort attraktiv zu halten. Um es finanzierbar zu machen, ist strengste Disziplin bei den Ausgaben von Nöten.
Was sind die drei größten Flops?
Manderla: Der größte Flop ist die Aufgabe des Sekundarstandortes im Osten der Stadt. Nachdem bereits einige Hunderttausend Euro in den Sand gesetzt wurden, kam im Frühjahr die Hiobsbotschaft, dass ein Standortwechsel notwendig sei. Die Verabschiedung des Doppelhaushaltes wird Wermelskirchen weiter in die finanzielle Krise führen. Die Aufsichtsbehörde bestätigt Verstöße gegen das Haushaltssicherungskonzept – und genehmigt letztendlich den Haushalt doch. Der Bürgermeister hat sich mit diesem Haushalt von der Konsolidierung der Finanzen verabschiedet. Der Verkehrsversuch in der Telegrafenstraße wurde von CDU/WNKUWG ohne Wenn und Aber mit ihrer Stimmenmehrheit abgebrochen.
Warum?
Manderla: Es ist nur schwer nachzuvollziehen, dass für die Sekundarschule weit mehr als hunderttausend Euro ausgegeben wurden und erst danach die Planer feststellten, dass die alte Deponie so nicht bebaut werden kann und so spät ein entsprechendes Gutachten in Auftrag gaben. Wenn man die Genehmigung des Haushaltes liest, dann ist das eine Ohrfeige für den Bürgermeister. Das HSK wird vorsätzlich aufgegeben und die selbst gesetzten Einsparpotenziale außer Kraft gesetzt. Stattdessen wird kräftig an der Steuerschraube gedreht.
Was läuft zurzeit gut in der Stadt?
Manderla: Die Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten ist auf einem guten Weg. Wir denken, mit den beiden neuen Beigeordneten Stefan Görnert und Thomas Marner zwei Persönlichkeiten gewählt zu haben, die neue Impulse einbringen werden. Positiv ist auch die Entwicklung des Gewerbegebiets „Autobahnohr“ – und das Ehrenamt scheint hier ein besseres Fundament zu haben als in vergleichbaren Städten.
Und was läuft schlecht?
Manderla: Unseres Erachtens sollte noch einmal genau geprüft werden, ob der geplante Standort der Sekundarschule auf dem Realschul-Gelände wirklich der einzig wahre ist. Der Variante „Umbau der Hauptschule“ wurde zu wenig Augenmerk geschenkt. Die Vergaben öffentlicher Leistungen ziehen sich endlos hin. Eine pragmatischere Handhabung vor Ort und eine Entflechtung der Vorschriften sind erforderlich.
Was sind die größten Herausforderungen in den kommenden Jahren?
Manderla: Die Konsolidierung des Haushaltes. Wir werden 2020 voraussichtlich 140 Millionen Euro Schulden haben. Wir brauchen nach dem Haushaltsausgleich ein Konzept, wie diese Schuldenlast abgetragen werden kann, um auch zukünftig handlungsfähig zu bleiben. Und wir müssen uns im Wettbewerb mit anderen Kommunen so bewähren, dass wir junge Menschen nicht an das Umland verlieren. Im Gegenteil: Wir sollten klarmachen, dass es sich lohnt, in Wermelskirchen zu leben und zu arbeiten – und wenn es trotzdem sein muss, auch nach Köln oder Düsseldorf zu pendeln. Die Großprojekte „Loches Platz“, „Verbesserung der sportlichen Infrastruktur“ und „Sekundarschule“ sind grundsätzlich wichtig.
Wie beurteilen Sie die Arbeit von Bürgermeister Rainer Bleek?
Manderla: Er war auch im zweiten Wahlgang nicht unser Kandidat. In einigen Teilen – Personalpolitik, Finanzen, Haushaltsausgleich – haben wir nicht viel gemeinsam. Allerdings: Rainer Bleek pflegt einen guten Umgang, hat immer ein offenes Ohr und nimmt sich Zeit, sich unsere Standpunkte zu verinnerlichen.
Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit im Stadtrat?
Manderla: Kollegial und in Ordnung. Man geht respektvoll miteinander um. Ein interfraktioneller Meinungsaustausch vor wichtigen Entscheidungen ist fast üblich. Ein Ausblick auf den Wahlabend 2020:
Wo sehen Sie dann Ihre Partei in Wermelskirchen?
Manderla: Ich wünsche mir meine Partei wieder bei deutlich über zehn Prozent – bis dahin ist weiterhin engagiertes Arbeiten notwendig.
Haben Sie auch politisch Ferien?
Manderla: Ich wollte die Politik vier Wochen ausblenden – ist mir nicht ganz gelungen. Vor allem vor der Bundestagswahl ist einiges zu tun. SEBASTIAN RADERMACHER STELLTE DIE FRAGEN. 25.08.2017 – Bergische Morgenpost